Siemens

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Am 1. Oktober 1847 wird in Berlin die „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“ gegründet.[1] Ausschlaggebend ist die Weiterentwicklung des Zeigertelegraphen durch beiden Firmengründer Werner Siemens und Johann Georg Halske. Der neue Zeigertelegraph ermöglicht die Übermittelung von Buchstaben – während der 10 Jahre zuvor von Samuel Morse konstruierte Telegraph nur mit Morsezeichen funktioniert. Zum ersten Mal lässt sich damit ein Telegraph auch von ungeschulten Personen bedienen. Das revolutioniert die Kommunikationstechnik. In den turbulenten 1840er Jahren – das Jahrzehnt ist gekennzeichnet von sozialen Unruhen und Revolutionen in ganz Europa – ist die Möglichkeit über lange Strecken fast ohne Zeitverzögerung zu kommunizieren von höchster Wichtigkeit für das Militär und die Politik.

Der Siemens-Herd Protos, 1935. (Quelle: Siemens Corporate Archives)
Die „Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske“

Das junge Unternehmen wird noch während der deutschen Revolution 1848 beauftragt, eine Telegraphenlinie zwischen Berlin und Frankfurt am Main zu bauen. Mit über 500 Kilometern wird dies die längste Verbindung Europas. Zum Schutz vor Anschlägen soll ein großer Teil der Leitungen unterirdisch verlegt werden. Werner Siemens entwickelt dazu eine nahtlose Isolierung aus dem Kautschukmaterial Guttapercha.[2]

In den 1850er Jahren sorgen Großaufträge aus dem Ausland für den weiteren Aufschwung. Von 1853 an baut Siemens & Halske das russische, ab 1858 das englische Telegraphennetz. Für ihre Verdienste werden Werner Siemens und seine im Ausland für das Unternehmen tätigen Brüder mehrfach ausgezeichnet. Die englische Königin Victoria adelt 1883 Wilhelm Siemens, der deutsche Kaiser Friedrich III. erhebt Werner Siemens 1888 in den Adelsstand und der russische Zar Nikolaus II. adelt 1895 Carl Siemens.[3]

Einstieg in die Elektrotechnik

Neben der Kommunikationstechnologie gelingt Werner Siemens 1866 mit der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips die Begründung der Elektrotechnik. Dieser Dynamo ermöglicht es erstmalig, auf wirtschaftliche Weise mechanische Energie in elektrische Energie umzuwandeln. Die Maschine ist der Auslöser für eine Reihe weiterer bahnbrechender Siemens-Technologien: Unter anderem die erste elektrische Eisenbahn, die erste elektrische Straßenbeleuchtung und der erste elektrische Aufzug.[4]

Mit der Verbreitung der Elektrizität entsteht Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend Wettbewerb durch andere Unternehmen. Die 1883 in Berlin gegründete „Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität“, die spätere AEG, bleibt bis Mitte der 1990er Jahre ein ernstzunehmender Wettbewerber. Die konkurrierende „Elektrizitäts-Aktiengesellschaft vorm. Schuckert & Co.“ wird dagegen bereits 1903 von Siemens übernommen und mit dem eigenen Starkstrombereich in die „Siemens-Schuckert-Werke GmbH“ zusammengeführt.[5]

Über weitere spezialisierte Tochter- und Beteiligungsgesellschaften weitet Siemens & Halske sein Produktportfolio auf das gesamte Gebiet der Elektrotechnik aus. Für die kurze Zeit zwischen 1908 und 1926 ist Siemens & Halske beispielsweise auch im Automobilbau tätig. Auch aus heutiger Sicht schon sehr fortschrittlich, baut das Unternehmen zu dieser Zeit neben Automobilen mit Verbrennungsmotor bereits technisch gleichwertige Elektromobile.[6]

Kriegswirtschaft

Der Ausbruch des ersten Weltkriegs lässt das internationale Netz an Tochter- und Beteiligungsgesellschaften auseinanderbrechen. Besitztümer, materielle Werte ebenso wie Patente und Schutzrechte im Ausland werden beschlagnahmt. Nach Kriegsende muss das Auslandsgeschäft wieder neu aufgebaut werden. Ehemalige Tochterfirmen, wie die englische Siemens Brothers & Co., treten nun als Konkurrenten auf. Wie schon vor dem Krieg gelingt es Siemens, das Geschäft mithilfe von Großaufträgen am Laufen zu halten. Das größte dieser Projekte sollte die 1930 abgeschlossene Elektrifizierung des gesamten Freistaates Irland werden. 193 ausländische Geschäftsstellen baut Siemens erneut auf, bis 1939 der Zweite Weltkrieg ausbricht.

Im nationalsozialistischen Deutschland profitiert Siemens von der durch Kriegsvorbereitungen angekurbelten Auftragslage. Mit einem Umsatz von 1,3 Milliarden Reichsmark entwickelt sich der Konzern zum erfolgreichsten deutschen Elektrounternehmen. Der in der Kriegszeit entstehende Arbeitskräftemangel wird in den 1940er Jahren zunehmend durch den Einsatz von Zwangsarbeitern ausgeglichen, 1944 sind etwa 50.000 der insgesamt 244.000 Siemensmitarbeiter Zwangsarbeiter.[7] In unmittelbarer Nähe des KZ Ravensbrück entsteht bereits 1942 ein „Siemenslager Ravensbrück“ in dem KZ-Häftlinge Fernsprechgeräte, Radios und Messgeräte für Siemens herstellen. Zusätzlich werden als kriegswichtig eingestufte Siemensprodukte in den Konzentrationslagern Auschwitz und Lublin hergestellt.

Die Bombardierung von Industrieanlagen durch die Alliierten zerstört 1945 den größten Teil der Siemens Werksgebäude und -anlagen.

Wiederaufbau und Wirtschaftswunder

Fünf Jahre braucht Siemens, bis im Geschäftsjahr 1950/1951 der Umsatz erstmals wieder Vorkriegsniveau erreicht. Bis 1959 kann auch das Auslandsgeschäft wieder aufgebaut werden. Der Siemens Konzern gliedert sich bis 1966 in drei eigenständige Firmen: Die Siemens & Halske AG, die Siemens-Schuckertwerke AG und die Siemens-Reiniger AG. Um auf Veränderungen im Wettbewerb und auf den internationalen Märkten zu reagieren werden die drei Aktiengesellschaften neu organisiert und als Dachorganisation in der Siemens AG gebündelt. Das umfangreiche Netz an Beteiligungen und Tochterfirmen, wie die 1957 gegründete Siemens-Electrogeräte AG, bleibt bestehen.

Mit dem weltweiten Siegeszug der Elektroindustrie gelingt auch Siemens ein rasanter wirtschaftlicher Aufstieg.

Geschichte der Siemens Hausgeräte

Elektrische Hausgeräte bleiben lange Zeit Luxusgüter. Grund ist die lückenhafte öffentliche Stromversorgung. 1927 sind in der Metropole Berlin gerade einmal fünfzig Prozent der Haushalte an das Stromnetz angeschlossen. Dennoch stellt Siemens bereits seit der Jahrhundertwende elektrische Hausgeräte her. Mit der „Entstäubungspumpe“, dem weltweit ersten Staubsauger, beginnt 1906 die Geschichte der Siemens-Hausgeräte.[8] Unter dem Markennamen „Protos“ produziert Siemens seit 1925 Hausgeräte wie Kaffeemühlen, Haartrockner, Bügeleisen, Kühlschränke, Waschmaschinen und Elektroherde.[9] Die von Siemens und der AEG gemeinsam gegründete „Gesellschaft für drahtlose Telegraphie mbH“, genannt „Telefunken“, stellt in den 1930er Jahren Rundfunkempfänger und erste Fernsehgeräte her.[10]

Nach dem Wiederaufbau der Produktion in den 1950er Jahren umfasst das Portfolio die gesamte Bandbreite an Weißer und Brauner Ware, wie die Haushaltsgeräte (weiss) und die Geräte der Unterhaltungsindustrie (braun) nach ihrer typischen Gehäusefarbe genannt werden. Das Geschäft wächst rasant. Siemens produziert Hausgeräte in den Standorten Berlin und Traunreut, mit der Übernahme des Waschmaschinen Herstellers Constructa seit 1961 auch in Ratingen-Lintorf. Mitte der 1960er Jahre stellen sich auf dem Hausgerätemarkt erste Sättigungserscheinungen ein. Zusammen mit der Hausgerätegruppe der Robert Bosch GmbH gründet die Siemens Electrogeräte 1967 die Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH.[11] Die beiden Unternehmen bündeln ihre Produktion und bleiben so auf einem immer härter umkämpften Markt wettbewerbsfähig. Die BSH wirtschaftet bis heute erfolgreich. Im neuen Jahrtausend zieht sich Siemens aus dem direkten Kundengeschäft zurück. Als letzte Konsumentensparte wird 2015 der Anteil an der BSH an die Robert Bosch GmbH verkauft.

Die Siemens AG bis heute

Als der Aufschwung der Hausgeräte in den 1970er zum Erliegen kommt, beginnt etwa zeitgleich das Zeitalter der Mikroelektronik und der Computer. Die Grundlagenforschung in diesen Bereichen läuft bereits seit den 1950er Jahren. Mit einem Patent zur Herstellung von hochreinem Silizium, dem Grundbaustein für Mikrochips, gelingt Siemens 1953 erfolgreich der Einstieg in die Mikroelektronik. Durch Erfolge bei der Miniaturisierung kommen in den 1970er die ersten Mikroprozessoren und Speicherchips auf den Markt. Speicher- und Rechenkapazität entwickeln sich rasant. Etwa alle vier Jahre verdoppelt sich die Leistung der Prozessoren und Chips.[12]

Siemens ist zu dieser Zeit in den Sparten Telekommunikation, Mikroelektronik, Computertechnik, Energieerzeugung, Medizintechnik und Verkehrstechnik aktiv.

In den 1990er und frühen 2000er Jahre befindet sich der Konzern im ständigen Umbau. 1999 wird beispielsweise der Halbleiterbereich als Infineon Technologies AG ausgegliedert, 2005 wird die Handysparte Siemens Mobile an das taiwanische Unternehmen BenQ verkauft. Siemens konzentriert sich immer stärker auf das Industriegeschäft. Als letzte Sparten für Consumer Products werden 2013 die Mehrheit der Anteile an Osram und 2015 die komplette Beteiligung an der BSH Hausgeräte verkauft. Das operative Geschäft der Siemens AG gliedert sich seit dem in die fünf Sektoren Energie, Medizintechnik, Industrie und Infrastruktur & Städte.

Einzelnachweise

  1. Siemens-Electrogeräte GmbH (Hrsg.): Geschichte der Siemens Hausgeräte 1847-2003. München 2003, S. 12.
  2. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 6-9.
  3. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 10-11.
  4. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 12-13.
  5. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 30-31.
  6. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 28-29.
  7. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 58-59.
  8. Siemens-Electrogeräte GmbH (Hrsg.): Geschichte der Siemens Hausgeräte 1847-2003. München 2003, S. 14.
  9. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 42-43.
  10. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 54-55.
  11. Die BSH wird 1967 als Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH gegründet - abgekürzt BSHG. 1998 wird der Name in BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH geändert, die neue Abkürzung lautet BSH. Seit dem Verkauf der Siemens-Anteile der BSH an die Robert Bosch GmbH heißt das Unternehmen BSH Hausgeräte GmbH und wird weiterhin mit BSH abgekürzt.
  12. Siemens AG (Hrsg): 150 Jahre Siemens, S. 68-71.