BSH Chronologie 1967-1978: Gründung und nationale Konsolidierung
BSH Chronologie 1967–1978: Gründung und nationale Konsolidierung
Gemeinsam aus der Krise
„Der europäische Markt erfordert Unternehmen europäischen Ausmaßes. Die Zusammenfassung der technischen und kommerziellen Kräfte und Leistungen der beiderseitigen Konsumgüterbereiche wird die Wettbewerbskraft der zusammengefassten Bereiche wesentlich erhöhen."
Dieses Zitat aus der Präambel des Vertrags über die Interessengemeinschaft Haushaltsgeräte (IGH), dem Vorläufer der Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSHG), bringt es auf den Punkt: die geplante Kooperation ist für alle Seiten gut. Der Markt für elektrische Hausgeräte verzeichnet seit dem Wirtschaftswunder Produktionssteigerungen und Zuwachsraten von bis zu 290 Prozent. Ab Mitte der 1960er Jahre ist dann jeder Haushalt mit den nötigen Geräten ausgestattet, der Verkauf stagniert und die Wachstumsraten sinken rasant. Verstärkt wird diese Entwicklung durch einen allgemeinen Konjunkturrückgang, der 1967 in einer kleinen Rezession mündet. In dieser Situation liegen die Vorteile einer Zusammenarbeit klar auf der Hand: Konsolidierung durch Kooperation, Einrichtung einer gemeinsamen Entwicklung, einer gemeinsamen Fertigung und eines gemeinsamen Vertriebes sowie Konzentration auf technische Innovationen und Rationalisierung. Durch die neue, starke Marktposition will die Interessengemeinschaft der Konkurrenz die Stirn bieten, vor allem der italienischen, US-amerikanischen und japanischen.
Erste Schritte
Schon 1963 macht sich eine Kommission der Robert Bosch GmbH und der Siemens AG Gedanken über eine Zusammenarbeit auf dem Feld der Hausgeräte. Erste konkrete Verhandlungen der beiden Unternehmen finden 1965 statt, im Juni dieses Jahres wird ein Vorvertrag geschlossen. Ein „Neutrales Büro“ in München, ab August 1965 in „Studio ELGE“ umbenannt, soll sich um die Ausarbeitung des endgültigen Vertrages kümmern. Am 22. Dezember 1965 wird die Interessengemeinschaft Hausgeräte (IGH) gegründet. Folgende Gesellschaften sind an ihr beteiligt: Siemens Electrogeräte AG (SE) und Constructa-Werke GmbH, beides Tochtergesellschaften von Siemens sowie die Gruppe Hausgeräte der Robert Bosch GmbH, Blaupunkt und Junkers & Co., Töchter der Robert Bosch GmbH. Die erste Gesellschafterversammlung findet am 5. Februar 1966 in München statt, im März geht die IGH mit einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Geführt wird die Interessengemeinschaft durch Dr. Helmut Ohr von der Robert Bosch GmbH und Dr. Wilhelm Vox von Siemens.
Mehrere starke Marken unter einem Dach Kritik an dem geplanten Zusammenschluss kommt unter anderem von staatlicher Seite. Das Bundeskartellamt meldet in einem Beschluss vom 17. März 1966 Bedenken gegen die Kooperation an. Der Vertrag wird daraufhin überarbeitet und das Kartellamt gibt am 22. November 1966 grünes Licht. Am 13. Januar 1967 wird die Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSHG) durch die Siemens AG und die Robert Bosch GmbH gegründet. Geführt wird die BSHG paritätisch von jeweils drei Gesellschaftern aus den Mutterkonzernen Siemens und Bosch. Das Stammkapital beträgt eine Million D-Mark. Die Produkte werden weiterhin unter den eingeführten Marken vertrieben. In den nächsten Jahren ordnet die BSHG ihren Vertrieb und ihre Fertigung neu. Ausgehend von den Siemens-Standorten Berlin (Schwerpunkt Waschgeräte) und Traunreut (Schwerpunkt Herde, Backöfen, Kochfelder) und dem Bosch-Standort Giengen (Schwerpunkt Spül- und Kältegeräte) werden die Strukturen vereinheitlicht und Synergieeffekte angestrebt.
Aus „Siemensianern“ und „Boschlern“ werden „BSHGler“ In einer gemeinsamen Pressemitteilung geben Bosch und Siemens am 28. November 1972 die Intensivierung der Zusammenarbeit bekannt. BSHG-Manager Wolfgang Tochtermann beschreibt in seiner „Historie der BSH“ den ausgehandelten Konsortialvertrag als die zweite Integrationsphase der BSHG. Zum 1. Januar 1973 werden die Bosch Hausgeräte, Siemens Electrogeräte GmbH und Constructa GmbH als Betriebsführungsgesellschaften neu gegründet. Diese Gesellschaften unterliegen den Weisungen der BSHG, bleiben allerdings hundertprozentige Töchter ihrer Stammhäuser. Die Zusammenarbeit mit den zur Robert Bosch GmbH gehörenden Blaupunkt Werke GmbH wird durch eine Schachtelbeteiligung von 25 Prozent der BSHG an Blaupunkt sichergestellt. Die ebenfalls zu Bosch gehörende Junkers & Co GmbH ist nicht mehr mit dabei. Das Stammkapital wird auf 140 Millionen D-Mark erhöht. Bisher getrennt wahrgenommene Aufgaben, unter anderem Finanzierung, Revision, Patent- und Vertragswesen, Steuern und Versicherungen, Kundendienst und Ersatzteilversorgung, Lager- und Transportwesen sowie Bilanzierung und Marktforschung werden zusammengelegt. Um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, erweitert sich der Personalstamm der BSHG. Gleichzeitig arbeitet die Gesellschaft an der Vereinheitlichung ihrer Beschäftigungsbedingungen. Bisher werden Siemens-Mitarbeiter der BSHG nach Siemens-Tarifen, Bosch-Mitarbeiter nach Bosch-Tarifen bezahlt. Es dauert bis zur Jahreswende 1977/78, bis nach einer erneuten Umwandlung der Gesellschaften sämtliche rund 16.000 Mitarbeiter zum 1. Januar 1978 von der BSHG übernommen werden. Das Personal erhält einheitliche Beschäftigungsbedingungen. Die Werkszeitschrift inform, die seit 1978 erscheint, fördert das Gemeinschaftsgefühl der Mitarbeiter.
Neue Räume Auch räumlich stehen in dieser Zeit große Änderungen an: 1976 wird das neue Geschirrspülerwerk in Dillingen eingeweiht und die BSHG erwirbt eine erste Auslandsbeteiligung: Anteile des 1865 gegründeten, griechischen Marktführers Pitsos (heute BSH Ikiakes Syskeveses A.B.E.). 1978 bezieht die Verwaltung ein neues Gebäude in der Münchner Hochstraße. Das gemeinsame, zentrale Verwaltungsgebäude legt den Grundstein für die Corporate Identity der BSHG und funktioniert als deutlich sichtbares äußeres Zeichen der inneren Zusammenführung. Die Zweite Integrationsphase endet im Jahr 1978. Die beteiligten Gesellschaften, Robert Bosch Hausgeräte GmbH, Siemens Electrogeräte GmbH und Constructa GmbH, gehen endgültig in der Bosch Siemens Hausgeräte GmbH auf. Mit Abschluss dieser Phase erlangt die BSHG gegenüber ihren Stammhäusern volle unternehmerische Souveränität. Das Gemeinschaftsunternehmen ist ein Erfolg.