Mikrowelle

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Mikrowelle von Bosch, 1978


Am Anfang war das Popcorn

Durch Zufall entdeckt der US-amerikanische Ingenieur Percy L. Spencer (1894–1970) während des Baus von Radaranlagen, dass ein Schokoriegel in seiner Tasche schmilzt.[1] Seine Vermutung: die Mikrowellenstrahlung des Magnetrons, ein wichtiges Bauteil des Radars. Er lässt sich Mais bringen, um seine Theorie zu überprüfen, und stellt ihn vor das Radar – und siehe da: aus dem Mais wird Popcorn. 1946 konstruierte er seinen ersten "Radarherd". Die "Raydarange" besaß Wasserkühlung, war knapp 1,80 Meter hoch und hatte eine Leistung von 3000 Watt. Im gleichen Jahr noch lässt er sich die Erfindung in den USA patentieren.[2]

Mikrowellen schwingen mit einer extrem hohen Frequenz, die die Wassermoleküle im Nahrungsmittel in Schwingung versetzt, wodurch Wärme entsteht.[3] Im Gegensatz zum konventionellen Backofen, der dem Lebensmittel von außen Wärme zuführt, entsteht die Wärme der Mikrowelle im Lebensmittel selbst.

Schwerer Start auf dem deutschen Markt

Die frühen Mikrowellen-Geräte sind für den Privatanwender kaum erschwinglich und werden wegen ihrer Größe und Gewichts vor allem in der Gastronomie verwendet.[4] Siemens produziert bereits seit 1957 Mikrowellen für den deutschen Markt.[5] Die erste Siemens-Mikrowelle wiegt jedoch zwei Zentner, benötigt einen Wasserkühler und kostet 7.000 D-Mark.[6] Dem Gerät wird deshalb keine Chance eingeräumt und die Pläne verschwinden wieder in der Schublade. Der Hersteller Neff integriert auch 1957 Mikrowellentechnik in Backöfen und stellt den ersten kombinierten Mikrowellenherd Europas, den Elektronen-Herd, auf der Kölner Haushaltsmesse der Öffentlichkeit vor.[7] Doch durchsetzen können sich die Geräte vorerst nicht. Erst ab den 1970er Jahren verbreitet sich die Mikrowelle in den USA und in Japan rasant.[8] In Deutschland soll es noch länger dauern. Die Deutschen stehen dem Mikrowellenherd lange skeptisch gegenüber. Viele Menschen befürchten, die Geräte seien nicht strahlendicht und daher gefährlich für die Gesundheit.[9] Hersteller wie die BSHG[10] versuchen jahrelang, über dieses Missverständnis aufzuklären.[11] Die BSHG schult Verbraucher in ihren Mikrowellen-Studios, gibt auf die Mikrowelle konzentrierte Kochrezepte aus, klärt massenhaft Journalisten – „Meinungsbildner“, wie sie intern genannt werden – auf etc.[12]

Durchbruch mit dem Fall der Berliner Mauer

Erst in den 1980er Jahren beginnt der Siegeszug der Mikrowelle in Deutschland.[13] Zu Beginn des Jahrzehnts besitzen erst ein Prozent der bundesdeutschen Haushalte eine Mikrowelle.[14] Der Erfolg stellt sich ein, als ein anfangs systembedingter Nachteil ausgeräumt werden kann: Eine knusprige Kruste oder eine goldgelbe Bräunung ist mit einer reinen Mikrowelle nicht möglich. Als die BSHG kombinierte Geräte anbietet, nimmt das Geschäft Schwung auf: 1981 kommt der Universalherd Meisterkoch auf den Markt, ein Universaleinbauherd, der sehr erfolgreich ist dank der Kombination von Mikrowelle, Grill, Ober- und Unterhitze, Konvektion und Selbstreinigung durch Pyrolyse.[15] 1983 werden von allen Herstellern bundesweit 100.000 Mikrowellen verkauft, 1984 schon 200.000.[16]

Die Mikrowelle hat in den 1980er Jahren für die deutsche Hausgeräte-Branche eine enorme Bedeutung. In einer Zeit ist die Nachfrage nach konventionellen Geräten sehr gering: Kühlschränke, Waschmaschinen, Mixgeräte und Staubsauger gehören in mehr als 90 Prozent aller bundesdeutschen Haushalte zum Standard, sie sind aber meist erst wenige Jahre zuvor angeschafft worden und noch so neu, dass es noch keinen Markt für Ersatzgeräte gibt.[17] Die Mikrowelle mit ihren zweistelligen Zuwachsraten rettet die Branche über die mageren Jahre.

Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 bietet sich ein neuer Milliarden-Markt für die BSHG.[18] Für die Bürger der DDR bzw. der neuen Bundesländer ist die Mikrowelle ein komplett neues Produkt, abgesehen von einigen wenigen Geräten, die über den DDR-Geschenkedienst von bundesdeutschen Bürgern in die DDR gekommen sind.[19] Die BSHG kooperiert 1990 mit den staatlichen Vertriebs- und Kundendienstunternehmen, etwa dem VEB Haushaltgeräteservice (HGS), und unterstützt diese durch Schulungen und Lieferung von Kundendienstfahrzeugen. „Das flächendeckende Kundendienstnetz von HGS ist auch eine sehr gute Ausgangsbasis für die Akzeptanz unserer Erzeugnisse in der DDR“, betont der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Herbert Wörner, im Jahr 1990.[20] Dies macht sich schnell bezahlt: Aus dem Stand heraus verkauft allein Siemens 1990 rund 50.000 Mikrowellen.[21]

Einzelnachweise

  1. http://www.spiegel.de/einestages/mikrowelle-percy-spencers-zufalls-entdeckung-im-us-militaer-labor-a-1013720.html (abgerufen am 12.10.2022).
  2. https://worldwide.espacenet.com/publicationDetails/biblio?CC=US&NR=2495429&KC=&FT=E&locale=en_EP# (abgerufen am 12.10.2022).
  3. Iris Hammelmann/Karolin Küntzel: Entdecker & Erfinder, München 2010, S. 96. inform 2001/August, S. 10.
  4. Konzern-Archiv, A05-0008, inform 1985/4, S. 16.
  5. Küchenherde. Strahlende Zukunft, in: DER SPIEGEL 1985/3, S. 64.
  6. Ebd.
  7. Konzern-Archiv, Hans Tischert: 80 Jahre Neff, (Sonderdruck Stätten deutscher Arbeit), Berlin 1957, S. 15 f. 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 39.
  8. Küchenherde. Strahlende Zukunft, in: DER SPIEGEL 1985/3, S. 64.
  9. Konzern-Archiv, A05-0001, inform 1978/6, S. 4.
  10. Die BSH wird 1967 als Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH gegründet - abgekürzt BSHG. 1998 wird der Name in BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH geändert, die neue Abkürzung lautet BSH. Seit dem Verkauf der Siemens-Anteile der BSH an die Robert Bosch GmbH heißt das Unternehmen BSH Hausgeräte GmbH und wird weiterhin mit BSH abgekürzt.
  11. Küchenherde. Strahlende Zukunft, in: DER SPIEGEL 1985/3, S. 64.
  12. Konzern-Archiv, unverzeichnet, Fachtagung „Mikrowelle 88“, Rückseite.
  13. Konzern-Archiv, A05-0008, inform 1985/4, S. 16.
  14. Konzern-Archiv, A07-0030 „Stark durch Erfindergeist und Qualität“ (1990), S. 20.
  15. Ebd., S. 13-19.
  16. Konzern-Archiv, A05-0008, inform 1985/4, S. 16.
  17. „Ja, wenn wir ein Saftladen wären“, in: Der Spiegel 34/1982, S. 27. inform 1985/4, S. 16.
  18. Für Weiße und Braune Ware wurde das Marktvolumen von der SE auf 1,5 Mrd DM geschätzt (ohne Berlin-West). Konzern-Archiv, unverzeichnet, Konzept und Aktionsplan für Siemens-Electrogeräte DDR-Geschäft ab 2. Halbjahr ’90, S. 1.
  19. 1989 wurden keine Mikrowellen in der DDR verkauft. Konzern-Archiv, unverzeichnet, Markterschließung Neue Bundesländer, 2. Einsatzblock, Chart 6: DDR-Markt Weiße Ware Mengenentwicklung, 2. Oktober 1990. Konzern-Archiv, A05-0013, inform 1990/Juli, S. 3.
  20. Konzern-Archiv, A05-0013, inform 1990/Juli, S. 3.
  21. Konzern-Archiv, unverzeichnet, Markterschließung Neue Bundesländer, 2. Einsatzblock, Chart 6: DDR-Markt Weiße Ware Mengenentwicklung, 2. Oktober 1990. Konzern-Archiv, A05-0016, inform 1993/4, S. 17.