BSH Chronologie 1984-2002: Nachhaltigkeit und Internationalisierung

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Zwischen 1984 und 2002 ändert die internationale Expansion der BSH das Profil des Unternehmens: Vom Exporteur aus Deutschland zum Global Player mit Vertriebsgesellschaften weltweit und  Produktionsstandorten auf vier von fünf Kontinenten. Dennoch wird der Standort Deutschland nicht vernachlässigt. Außerdem werden in den 1980er Jahren Umweltschutz und Ressourcenschonung zunehmend wichtige Themen für die BSH.


Die internationale Expansion der BSHG

1984 beginnt eine neue Phase für die BSHG:[1] Die Internationalisierung des Unternehmens. Ziel ist die systematische Weiterentwicklung vom deutschen Exporteur zum globalen Hausgeräteunternehmen mit internationalem Technik-, Marketing- und Vertriebsverbund. Denn – so erläutert der BSHG-Vorsitzende Herbert Wörner – die „BSHG ist […] zwar der fünftgrößte Hersteller der Welt. Sie ist aber noch weit davon entfernt, ein weltweiter Anbieter zu sein.“[2] An der Umsetzung dieses Ziels arbeitet die BSHG in den folgenden Jahren.

Grundsätzlich expandiert die BSHG in Länder, in denen der Hausgerätemarkt wächst bzw. Wachstumspotenzial aufweist. Vier Strategien der Internationalisierung sind erkennbar:

  1. die Gründung von Vertriebs- und Kundendienstgesellschaften in Ländern, in denen es keine Vertretung des Unternehmens gibt;
  2. der Aufbau von Fabriken in Ländern, in denen die BSHG noch nicht oder wenig präsent ist;
  3. die Gründung von Joint Ventures mit lokalen Partnern, die über Know-how in der Produktion im jeweiligen Land verfügen und / oder den dortigen Markt sehr gut kennen;
  4. die Mehrheitsbeteiligung an beziehungsweise Übernahme von regionalen Hausgeräteherstellern, die eine stabile oder starke Marktposition besitzen. Meist kennt die BSHG diese Unternehmen schon durch Partnerschaften oder die Vergabe von Produktionsaufträgen.

Vertrieb und Kundendienst europaweit

Zur ersten Strategie sind die Gründungen von Vertriebs- und Kundendienstgesellschaften in Europa der 1980er Jahre zu zählen: 1984 und 1986 in Großbritannien[3] und in Spanien[4], 1985 und 1987 in Frankreich[5] und 1987 in Griechenland[6] und Norwegen[7].

Das BSH-Werk in Lodz, 2003. (Quelle: BSH-Konzernarchiv)

Aufbau von neuen Fabriken

Mitte der 1990er Jahre nimmt die BSHG Osteuropa stärker in den Fokus: Im polnischen Lodz eröffnet der Konzern 1994 ein neu gebautes Werk zur Produktion von Waschmaschinen.[8] Damit ist die BSHG zum ersten Mal in Osteuropa auch als Hersteller von Großgeräten vertreten und kann ihr Marktpotenzial in Polen ausschöpfen.[9] 1998 baut sie ihre Position in Osteuropa aus: Im russischen Tschernogolowka, 60 Kilometer östlich von Moskau, wird eine Montagefabrik für Herde errichtet.[10]

Joint Ventures in Asien

Die Gründung von Joint Ventures mit internationalen Partnern bietet der BSH Möglichkeiten bei der Expansion von der Kompetenz ihrer Partner zu profitieren. Der Eintritt in den chinesischen Markt wird auf diese Weise realisiert – er ist ein Meilenstein in der Geschichte der BSHG.[11]

1994 gründet der Konzern ein Joint Venture mit einem führenden chinesischen Waschmaschinenhersteller, der Wuxi Little Swan Group. Die große Einwohnerzahl, steigende Einkommen und die zentrale Lage in Asien machen China attraktiv für die BSHG.[12] In China besteht jedoch keine uneingeschränkte Niederlassungsfreiheit für ausländische Investoren.[13] 1996 erweitert der Konzern sein Engagement im Reich der Mitte und erwirbt in Chuzhou eine Kältegerätefabrik.

2001 gründet die BSH zusammen mit dem japanischen Elektrokonzern Hitachi ein Joint Venture im thailändischen Kabinburi.[14] Die BSH besitzt mit 60 Prozent den Mehrheitsanteil an dem Unternehmen, das Frontlader-Waschmaschinen für den südostasiatischen Markt herstellt.[15] Ausschlaggebend für die Wahl des Standorts in Kabinburi ist neben der florierenden Wirtschaft Thailands und seiner zentralen Lage in Südostasien die ausgezeichnete Infrastruktur des Gewerbegebiets.[16] In das Joint Venture bringt die BSH ihr technisches Know-how zur Fertigung der vollautomatischen Frontlader-Waschmaschinen „Eurowasher“ ein, Hitachi stellt eigenes Know-how, die Kenntnisse des thailändischen Marktes sowie bereits vorhandene Produktionsanlagen zur Verfügung. Die Frontlader „Eurowasher“ werden neben Thailand auch in anderen Ländern Südostasiens, Neuseelands und Australiens unter den Marken Bosch und Siemens vertrieben.

Luftbild des Balay-Werkes in Montañana. (Quelle: Pressebild BSH Hausgeräte GmbH)

Lokale Unternehmen werden Teil der BSHG

Die Mehrheitsbeteiligung an beziehungsweise Übernahme von lokalen Hausgeräteherstellern bietet für die BSHG die Möglichkeit, ihr Markenportfolio zu erweitern und bestehende Ressourcen zu nutzen. Exemplarisch dafür steht die Expansion nach Spanien. 1986 wird Spanien ein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft, zwei Jahre später erwirbt die BSHG die Mehrheitsanteile an dem spanischen Hausgerätehersteller Balay S.A. in Zaragoza und der Safel-Gruppe in Pamplona.[17] Dies verbessert die europäische Marktposition der BSHG. Spanien ist zu dieser Zeit der fünftgrößte Hausgerätemarkt in Europa.[18] Die BSHG stärkt die spanischen Töchter, indem sie einen gemeinsamen Fertigungsverbund schafft.[19]

Ähnlich verhält es sich bei den ausländischen Erwerbungen in den folgenden Jahren.

Slowenien 1993: Hier übernimmt die BSHG eine Kleingerätefabrik in Nazarje. Die BSHG ließ dort schon seit 1972 Mixer und andere kleine Hausgeräte herstellen und verfügt deshalb über Einblick in die Fertigungsprozesse.[20] 1995 wird das Werk Kompetenz- und Entwicklungszentrum für motorgetriebene Consumer Products.[21]

Die BSH im türkischen Çerkezköy, 2005. (Quelle: Pressebild BSH Hausgeräte GmbH)

Brasilien 1994: Brasilien ist nicht nur der wachstumsstärkste Markt Lateinamerikas, sondern ein strategischer Ausgangspunkt für eine weitere Expansion auf dem Kontinent.[22] Die BSHG  übernimmt die Mehrheit an Continental 2001 S/A. 2009 wird Continental allerdings an einen mexikanischen Hausgerätehersteller verkauft.[23]

Türkei 1995: Die BSHG erwirbt die Mehrheit an der PEG Profilo Elektrikli Gerecler Sanayii A.S., dem zweitgrößten türkischen Hausgerätehersteller.[24] Zu diesem Zeitpunkt arbeitet die BSHG auf Basis von Lizenzverträgen schon intensiv mit einigen türkischen Hausgeräteunternehmen zusammen.[25] Die PEG-Kooperation bietet einen strategischen Ausgangspunkt für den Weg nach Südost- und Osteuropa, nach Russland, aber auch in die Turkstaaten Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan und Turkmenistan.[26]

Peru 1996: Der Erwerb von Coldex S.A. gilt als erfolgsversprechend. Der bisherige Eigentümer ist auf der Suche nach einer Nachfolgelösung mit dem Angebot einer 60-prozentigen Beteiligung an die BSHG herangetreten. Die in Lima ansässige Fabrik stellt Kühlschränke und Gasherde her und wird bereits seit einigen Jahren von BSHG Continental mit Komponenten für die Gasherdproduktion beliefert. 1996 erwirbt die BSHG 100 Prozent der Coldex S.A.[27]

USA 1998: In New Bern, North Carolina eröffnet die BSHG 1997 ein eigenes Geschirrspülerwerk auf 12.000 qm. Ein Jahr später übernimmt das Unternehmen den US-amerikanischen Hausgerätehersteller Thermador.

Vereinheitlichung der Produktion

In der zweiten Hälfte der 1990er Jahre geht die BSHG einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zum Global Player: Sie führt weltweit einheitliche Produktionsplattformen ein, auf denen zentral entwickelte Geräte gefertigt werden können. Das erhöht nicht nur die Effizienz in der Produktion, sondern garantiert durch einheitliche Standards an allen Standorten die gleiche hohe Qualität. Ein Ergebnis dieser Vereinheitlichung ist 1997 die Waschmaschine „Eurowasher“, die in Spanien entwickelt und in Polen, Thailand, der Türkei und Deutschland hergestellt wird.[28]

Der Standort Deutschland – eine wichtige Säule der BSHG

Neben dem internationalen Engagement wird auch der Standort Deutschland nicht vernachlässigt: So eröffnet die BSHG 1993 in Giengen ein neues Kältegerätewerk. Giengen festigt damit seine Stellung als weltweit größter Kältegerätestandort.[29] Ein Jahr später baut die BSHG als einziger Hausgerätehersteller eine Fabrik für Wäschepflegegeräte in den neuen Bundesländern[30]: Im brandenburgischen Nauen entstehen durch das neue Werk und die Zuliefererbetriebe, die sich dort ansiedeln, hunderte Arbeitsplätze.

1995 erwirbt die BSHG den traditionsreichen badischen Hausgerätehersteller Gaggenau.[31] Die hervorragend positionierte Marke rundet das Markenportfolio des Konzerns ab. Gaggenau ist auf den wichtigsten Märkten Europas und der USA durch ein gut ausgebautes Vertriebsnetz präsent und kann einen Jahresumsatz von 215 Millionen Mark vorweisen.[32]

Im Jahr 2000 gliedert die BSH die Regensburger Abteilung Electronics, Drives and Systems (EDS) von der Siemens AG ein. Die EDS hat sich auf die Entwicklung und Fertigung von elektronischen Systemen für die Hausgeräte der BSH spezialisiert, zum Beispiel bei der Gerätesteuerung, der Sensorenautomatik und den Antrieben.[33]

Übersicht über die Reduzierung von FCKW im Werk Giengen im BSH Wiki
Das Thema Umweltschutz wird Ende der 1980er Jahre immer wichtiger und damit die Reduzierung von FCKW bei der Kühlschrankproduktion in Giengen. (Quelle: BSH-Konzernarchiv)

Umweltschutz

Ende der 1980er wird das Thema Umweltschutz gesellschaftlich immer wichtiger. So weiß man seit 1985, dass es das Ozonloch gibt.[34] Drei Jahre später wird im Abkommen von Montreal der Schutz der Ozonschicht beschlossen. Bereits seit 1988 produziert die Fabrik Giengen Kühlschränke mit halbiertem FCKW-Verbrauch. 1991 gründet die Geschäftsleitung die Konzernabteilung Umweltschutz, ein Jahr später wird der erste Umweltbericht  veröffentlicht.[35] Dies ist aber nur der Startpunkt des Engagements für die Umwelt: 1993 wird die europäische Produktion auf FCKW-freie Kühlschränke umgestellt, seit 1994 ist auch FKW aus den europäischen Kühlschränken der BSH verbannt.

Innerhalb von zwei Jahrzehnten hat sich die BSH fundamental gewandelt. War sie anfangs „nur“ deutscher Marktführer und Nummer zwei in Europa, präsentiert sie sich zu Beginn des neuen Jahrtausends als weltweiter Anbieter von Hausgeräten, der mehr als 70 Prozent des Konzernumsatzes außerhalb Deutschlands generiert.[36]

Einzelnachweise

  1. Die BSHG wird 1998 in BSH unbenannt.
  2. So der Vorsitzende der Geschäftsführung, Dr. Herbert Wörner. BSH-Konzernarchiv, A05-0018, inform 1995/3, S. 2.
  3. Siemens Domestic Appliances Ltd., Hayes (1984, 100 % SE) und Kundendienstgesellschaft Appliance Care Ltd., Hayes (1986, 100 % BSHG).
  4. Bosch y Siemens Electrodomésticos S.A. (1984, 100 % BSHG) und der Robert Bosch Electrodomésticos S.A., Madrid (1984, 100 % HG). Siemens Electrodomésticos S.A. (1986, 100 % SE).
  5. Gründung der Kundendienstgesellschaft Intersav S.A.R.L. (100 % BSHG). Gründung der Bosch et Siemens Electroménager S.A., Paris (100 % BSHG).
  6. Gründung der Robert Bosch Ikiakes Syskeves A.E., Athen.
  7. Gründung der Kundendienstgesellschaft Interservice A/S, Oslo (100 % BSHG).
  8. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 97. 
  9. BSH-Konzernarchiv, A05-0018, inform 1995/3, S. 3.
  10. BSH-Konzernarchiv, A01-0016, Geschäftsbericht 1998, S. 10. Der Standort wird im Jahr 2007 wieder geschlossen.
  11. BSH-Konzernarchiv, Ordner V, 40 Jahre BSH – Feierlichkeiten am Standort MCW, vom 7.11.2006, Folie 3.
  12. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 79. 
  13. Nicole Ruppel: Deutsche Unternehmen in China: Chancen und Risiken, Hamburg 2007, S. 49.
  14. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 114. Die Waschmaschinenfabrik wird 2013 wieder geschlossen, da die Versorgung des südostasiatischen Raums von der neuen Produktionsstätte in Chennai (Indien) erfolgen soll.
  15. BSH-Konzernarchiv, A05-0025, inform 2002/2, S. 20.
  16. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 114.
  17. BSH-Konzernarchiv, A01-0008, Geschäftsbericht 1989, S. 3.
  18. BSH-Konzernarchiv, A05-0012, inform 1980/1, S. 18; BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 54. 
  19. BSH-Konzernarchiv, Ordner I, Vortrag Geschäftsführer Dr. Wörner am 3.12.1991, S. 5.
  20. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 56; BSH-Konzernarchiv, A01-0010, Geschäftsbericht 1993, S. 3;   BSH-Konzernarchiv, A05-0012, inform 1994/3, S. 1-3.
  21. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 97. 
  22. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 80; BSH-Konzernarchiv, A05-0018, inform 1995/3, S. 3. 
  23. BSH-Konzernarchiv, A05-0032, inform 2009/3, S. 11.
  24. BSH-Konzernarchiv, A01-0018, Geschäftsbericht 1995, S. 5.
  25. BSH-Konzernarchiv, Ordner I, Vortrag Geschäftsführer Dr. Wörner am 3.12.1991, S. 5. Aber auch mit anderen Unternehmen in aller Welt, z.B. der Matsushita in Japan, GE/Hotpoint in GB/USA, IFB in Indien und Delta in Ägypten.
  26. BSH-Konzernarchiv, A01-0013, Geschäftsbericht 1995, S. 5; BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 86.
  27. BSH-Konzernarchiv, Tochtermann Ordner III, Entwurf an die Gesellschafterdelegation der BSHG, 12.08.1996: Ausbau unseres Geschäfts in Lateinamerika, S. 3f.
  28. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 97. 
  29. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 58. 
  30. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 84. 
  31. BSH-Konzernarchiv, A01-0012, Geschäftsbericht 1994, S. 6.
  32. BSH-Konzernarchiv, A01-0012, Geschäftsbericht 1994, S. 6.
  33. BSH-Konzernarchiv, A05-0022, inform 1999/3, S. 20 f. BSH-Konzernarchiv, A01-0018, Geschäftsbericht 2000, S. 25.
  34. Entdeckung des Ozonlochs: „Loch im Himmel“, http://www.spiegel.de/einestages/ozonloch-ueber-der-antarktis-vor-30-jahren-entdeckt-a-1033168.html (abgerufen am 07.02.2017).
  35. BSH-Konzernarchiv, F-BSH-001, 40 Jahre BSH – Eine Chronik, S. 64. 
  36. BSH-Konzernarchiv, A05-0018, inform 1995/3, S. 2; BSH-Konzernarchiv, A01-0020, Geschäftsbericht 2002, S. 6.